Handschriftlich Signieren

Eigene Handschrift im digitalen Zeitalter

Die Handschrift eines Menschen ist unverwechselbar – so wie eine elektronische Signatur. Die Wiener Graphologin Elisabeth Charkow im Gespräch.
Die Handschrift eines Menschen ist unverwechselbar – so wie eine elektronische Signatur. Seit Jahrhunderten analysieren Grapholog:innen Handschriften und prüfen die Echtheit von Unterschriften. Doch welche Bedeutung hat die Handschrift im digitalen Zeitalter noch? Gibt es Berührungspunkte zwischen elektronischen Signaturen und dem Handwerk der Graphologie? Darüber haben wir mit der Wiener Graphologin Elisabeth Charkow gesprochen.
Mit MOXIS lässt sich die individuelle Unterschrift visualisieren. Diese Funktion basiert direkt auf dem Verständnis, einer unverwechselbaren, eindeutig zuzuordnenden Signatur. Es geht dabei um Echtheit, letztlich um Datenauthentizität. An diesem Punkt gibt es spannende Berührungspunkte mit dem traditionellen Handwerk der Graphologie: Mit der Analyse einzelner Merkmale in der Handschrift wird nicht nur die Echtheit der Unterschrift geprüft, sondern auch Persönlichkeitseigenschaften. Individuelle Kennzeichen können Schriftgröße, die Schreibweise einzelner Buchstaben, Schreibtempo u.v.m. sein.

Fragt man die diplomierte Graphologin Elisabeth Charkow, was denn eigentlich Graphologie ist, antwortet sie mit ihrer eignen, in mehreren Jahrzehnte Berufserfahrung gereiften Definition. „Graphologie ist die Lehre vom Schreiben, dessen Entstehungs- und Veränderungsbedinungen.“ Charkow unterstützt mit ihrer Arbeit heute vor allem Personalabteilungen. In ihren Gutachten geht es darum, signifikante Persönlichkeitsmerkmale in der Handschrift zu identifizieren. „Meine Erkenntnisse sind nie allein entscheidend, aber sie leisten einen Beitrag, wenn es darum geht, die Persönlichkeit und Eigenschaften von Bewerber:innen zu analysieren.“ Dazu kommen schriftvergleichende Gutachten, die der Frage nach der Echtheit von Handschriften nachgehen.

Persönlichkeit entwickeln

Die Analyse von Handschriften setzt neben der Fähigkeit zu Schreiben und dem Umgang mit einem Schreibgerät noch etwas anderes voraus: ein gemeinsames, kulturgebundenes Schriftsystem. Ein komplexes Business, denn die Handschrift ist im Laufe des Lebens ständigen Veränderungen unterworfen – analog dazu, wie sich ein Mensch persönlich weiterentwickelt sowie als Folge des Alterungsprozesses. Tut er das nicht, kann man auch das an der Handschrift ablesen. Elisabeth Charkow: „Wenn ein Erwachsener noch immer die Schreibschrift aus der Grundschulzeit besitzt, kann das in der Tendenz auf eine Stagnation hindeuten – aber oft auch darauf, dass der schriftliche Ausdruck im täglichen Leben keine zentrale Rolle spielt.“
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Schreiben ist Bewegung

Handschrift entsteht immer aus Bewegung. Der Bewegungsablauf beim handschriftlichen Unterschreiben ist genauso charakteristisch wie ein Fingerabdruck. Daher eignet sich die Schreibbewegung für biometrische Signaturen, die eindeutig einem Unterschreiber zugeordnet werden können. Um eine Handschrift graphologisch bewerten zu können, arbeiten Graphologinnen zusätzlich mit den Kriterien Schriftform, Schreibstil und Rahmeneinpassung. Wie viel Raum nimmt sich eine Unterschreiberin? Auch das ist individuell so unterschiedlich wie der Fingerabdruck. Ebenso wie bei biometrischen Signaturen sind die Stärke des Aufdrucks des Schreibgeräts und der Winkel, in dem geschrieben wird, individuell zu entschlüsseln.

Echtheit überprüfen

Um die Echtheit einer Unterschrift zu ermitteln, nutzt die Graphologin dasselbe Werkzeug, das auch bei der Verifizierung einer digitalen Unterschrift zum Einsatz kommt: den Vergleich. Elektronische Signaturen können durch eine Public-Key-Infrastructure (PKI) mit dem Abgleich von Hash-Werten auf ihre Echtheit und Gültigkeit überprüft werden und schützen so die Integrität eines Dokuments. Expert:innen wie Elisabeth Charkow nutzen den Vergleich mit den bereits vorhandenen, nachweislich von einer Person geleisteten Unterschriften, um Echtheit nachzuweisen.

Wo die Arbeit von Graphologen heute vor allem eine beratende Funktion wahrnimmt und andere Methoden sinnvoll ergänzt, hält alternativ zur Handschrift nur eine qualifizierte elektronische Signatur vor Gericht stand. Für Routiniers wie Elisabeth Charkow hat der Schutz der Handschrift deshalb noch eine andere Dimension: „Im Zuge der umfassenden Digitalisierung besitzt die Handschrift eine geringere Bedeutung als noch vor wenigen Jahren – was für Unternehmen gerade in Signaturprozessen ja enorme Effizienzgewinne darstellt. Von Hand zu schreiben ist jedoch mehr: Es ist eine Kulturleistung, ein emotionaler Vorgang, der seinerseits zur persönlichen Entwicklung eines Menschen beitragen kann.“

In einen kulturpessimistischen Kanon mag Elisabeth Charkow dennoch nicht einstimmen: „Glaubt man der Kritik aus mehreren Jahrhunderten, ist die Handschrift ja seit der Erfindung des Buchdrucks dem Tode geweiht. Ich denke, es ist heute umso wichtiger, das Nebeneinander von digitalen und handschriftlichen Ausdrucksformen zu akzeptieren!“

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